Im Fußball fühle ich mich sauwohl


Aufzeichnung eines am 31. Januar 2013 geführten Gesprächs zwischen unserem Vorsitzenden Epi Bördemann mit dem Trainer unserer Ersten, Martin Kastner

Die Winterpause im Amateurfußball, eingeführt, um der Unbill des Wetters und der Unwägbarkeit winterlicher Platzverhältnisse zu entgehen, dient auch der Regeneration der Spieler, der Überprüfung und Neujustierung der sportlichen Saisonziele der Vereine und mancherorts auch der Suche nach Verstärkung für das Team. Und die Winterpause kann auch dienen dem intensiven Gespräch über den Fußball im Allgemeinen und – in unserem Fall – über den TuS-Fußball im Besonderen. Ein solches Gespräch führte ich Ende Januar mit unserem Cheftrainer Martin Kastner.

Er fühle sich beim TuS sehr wohl, so begründet er es, dass er nach relativ kurzer Dienstzeit bei uns seinen Vertrag um weitere zwei Jahre verlängerte. Sicher sei er erst seit dem Sommer als Trainer tätig, führt er aus, er habe sich aber schon viel früher mit der Mannschaft und dem Verein beschäftigt und sähe in der Arbeit hier sehr lohnenswerte Perspektiven. „Nun haben wir zweieinhalb Jahre Zeit und da wollen wir beweisen, dass wir mit unserem Potential sportlich ein großes Stück vorwärts kommen können.“ Und das, so sagt er überzeugt, könne durchaus gelingen.

Dabei zieht er einen Vergleich zu seiner bisherigen Arbeit als Sportlicher Leiter der Junioren von Preußen Münster: „Zum Schluss hatte ich dort das Gefühl, dass ich keine Stellschraube mehr drehen konnte, so sehr waren die gegebenen Möglichkeiten ausgeschöpft und somit am Limit. Hier aber sehe ich in vielen Bereichen durchaus die Voraussetzung für echte Weiterentwicklung, dies zumal, weil das spielerische Niveau unserer ersten Mannschaft recht ordentlich ist.“

Mit dem Verlauf der Hinspielserie ist er zufrieden. Die Saisonvorbereitung sei aufgrund von Verletzungen und urlaubsbedingter Abwesenheit einiger Spieler schwierig gewesen, der Gewinn des Tuja-Cups habe der Mannschaft einen „mentalen positiven Schub“ gegeben, in den letzten Testspielen habe sich dann gezeigt, „dass wir schon voran kommen“.

„Ich bin einverstanden, mit der Anzahl der Punkte“, zieht er Bilanz zur Halbzeit der Saison, „ich habe viele gute Spiele gesehen, auch gegen Topgegner , beispielsweise gegen Preußen Münster und SC Paderborn, aber wir müssen uns noch stabilisieren. Uns muss es gelingen, ruhig unsere Stärken auch dann auszuspielen, wenn wir ´mal in Rückstand geraten.“ So resümiert er und erhebt die klare Forderung, dass es „hohe (negative) Ausreißer“ in Zukunft nicht mehr geben dürfe. Man könne ´mal ein Spiel verlieren, so hohe Schlappen aber, wie unsere Erste sie eingesteckt habe, dürften jedoch nicht mehr vorkommen.“ Dabei lasse ich das 2:5 in Rödinghausen weg, denn diese Mannschaft gehört auch nicht in unsere Liga.“

Optimistisch blickt Martin auf die Rückspielrunde der Saison. Er ist davon überzeugt, dass die Leistungen unseres Westfalenligateams sich weiter verbessern werden: „Wir hoffen, dass wir vom Verletzungspech verschont bleiben. Und außerdem glaube ich schon, dass viele unserer Spieler bezüglich ihres Leistungsvermögens noch Luft nach oben haben. Warum soll es da nicht nach oben gehen?“, begründet er seinen Optimismus.

Für die Zukunft baut er auf kontinuierliche Weiterentwicklung des Teams. Dessen spielerisches Potential sieht er noch nicht ausgeschöpft, es seien also durchaus noch deutliche Verbesserungen möglich. Wichtig sei es natürlich, dass die Mannschaft beisammen bleibe. Mit etlichen der Spieler seien entsprechende Übereinkünfte bereits erzielt, weitere Vereinbarungen würden gewiss bald folgen. „Und dann müssen wir noch die ein oder andere echte Verstärkung gewinnen, dann entwickeln wir uns peu à peu weiter und kommen nach vorne – das ist mein Ziel.“

Als ich anmerke, dass ich es für nicht unproblematisch halte, dass, wie bei uns geschehen, A-Jugendliche direkt in die Westfalenliga aufrücken, zeigt er sich als einfühlsamer Pädagoge. Der Sprung vom Jugendfußball zum Herrenfußball sei wohl der gravierendste Schritt in der Entwicklung eines Fußballers. Dabei benötige der Nachwuchsspieler viel Hilfe und Führung. Wichtig sei es zunächst, „dass man das Trainingsniveau, sprich die Intensität und den Umfang, mit dem abstimmt, wie es vorher gewesen ist. Oft werden gerade diesbezüglich die Fehler gemacht, dass man glaubt, der A-Jugendliche, der bisher dreimal die Woche trainiert hat, könnte das sechsmalige Wochentraining der Seniorenmannschaft in der Saisonvorbereitung sofort mitmachen. Eine Zeit lang geht das gut, man darf sich aber nicht wundern, wenn der junge Spieler bald schon einbricht.“ Besser sei es, den talentierten Nachwuchsspieler bereits in seinem letzten A-Jugendjahr zeitweilig am Training und an den Spielen des Seniorenteams teilnehmen zu lassen, „um den Übergang vom Jugend- zum Seniorenfußball nicht zu abrupt geschehen zu lassen. Und dann gehört auch die Einstellung des jungen Spielers dazu, dass er versteht, dass er nicht automatisch mit seinem Talent an den gestandenen Spielern vorbei kommt. Er muss das Training nutzen, um sich zu verbessern, er muss seine Spieleinsätze, auch die kurzzeitigen, nutzen, um sich zu etablieren. Aber wenn er das dann nicht sofort schafft, muss er auch bereit sein, zunächst beispielsweise in der Zweiten zu spielen.“ Denn besser sei es allemal zu spielen, als nur zu trainieren. „Dafür gehen wir ja zum Training, weil uns der nachfolgende Wettkampf am meisten Spaß macht.“

Die wichtige Aufgabe, Spieler der A-Jugendbezirksliga heran zu führen an die Westfalenliga der Männer – dazwischen liegen Welten -, sieht er eingebettet in die normale Aufgabe des Trainers bzw. des Trainerstabs. Permanente Aufgabe des Trainers sei ja die Entwicklung einer Struktur in einer Mannschaft, einer Hierarchie und die Förderung des Teamgeistes. Und das ist auch zu erreichen durch Einzelgespräche. Da gehe ich dann in die Tiefe. Wo sind deine Stärken, wo deine Schwächen? Wie fühlst du dich innerhalb der Mannschaft? Wie siehst du dein Training? Hast du Ideen, deren Verwirklichung dich weiterbringen? Wie sind deine Prognosen für die Zukunft? Wie bewertest du unser Team? Derartige Fragen spreche ich dann an.“ Und mit den jungen Spielern würde dann erörtert, wie sie einen möglicherweise vorhandenen Abstand zu den etablierten Mitgliedern der Mannschaft verkürzen könnten. Das sei in jüngster Vergangenheit bei unserem TuS aber offenbar gut gelungen, etliche Spieler aus der eigenen Jugend hätten ja den Sprung ins Westfalenligateam geschafft.

Das psychologische Einwirken auf die Spieler und damit auf das Team sei ohnehin seine dauernde Aufgabe, sagt Martin. „Wenn wir 25 Leute im Kader haben, wäre es ja merkwürdig, wenn alle immer zufrieden sind.“ Folglich sei es Aufgabe des Trainers, diese Unzufriedenheiten klein zu halten. Darum wirke er stets darauf hin, dass jeder seiner Spieler seine Bedeutung für das Team verinnerliche: „Auch jemand, der kaum gespielt hat, ist ein wichtiges Mitglied dieses Kaders und bringt uns insgesamt voran.“ Zudem käme es sehr darauf an, jedem Spieler Wertschätzung für seine Leistung zu vermitteln und ihn zu motivieren, beharrlich an deren Verbesserung zu arbeiten. Und außerdem stellt er klar: „Jemand ist ja nicht schlecht, nur weil er einen stärkeren Spieler im Team nicht verdrängen kann“.

Der Problematik, von seinen Spielern einerseits ständiges Mühen zur Leistungsverbesserung verlangen zu müssen, sie andererseits aber nicht ständig durch Spieleinsätze belohnen zu können, ist er sich bewusst. Er ist aber auch davon überzeugt, dieses ohne Schaden für sich und die Spieler einvernehmlich zu lösen. „Ich sage mir immer: Versprich nichts, was du nicht halten kannst. Wenn ich einem Spieler Mut mache, wenn ich ihm sage, dass er wichtiger Teil unserer Mannschaft ist, dann darf ich ihn aber nicht belügen und ihm den Eindruck vermitteln, er sei nun Stammspieler. Wenn ich das aber ´mal gesagt habe, dann muss ich daran auch festhalten, sonst bekomme ich große Probleme. Ich muss mich also an meinen Worten messen lassen. Ich sage daher sehr selten einem Spieler: ´Du spielst am Sonntag auch.` Vor allem aber: Ich muss mit jedem Spieler der Mannschaft ehrlich umgehen; je besser mir das gelingt, desto einfacher wird mir die Führung der Mannschaft. Allerdings sage ich ganz klar: Das ist jedes Mal etwas anderes, mit jeder Mannschaft, mit jedem Spieler. Sobald ich einen neuen Spieler dazu bekomme, habe ich auch eine andere Mannschaftshierarchie und ich muss mich anders verhalten.“

Martin bekennt sich zum demokratischen Führungsstil, der gekennzeichnet sei durch viel Kommunikation, durch Authentizität, durch Verständnis. Das Bild, dass der Trainer im Kreise seiner Spieler unterrichtet, entworfen während seiner Ausbildung zur A-Lizenz, dieses Bild möchte er verwirklichen.

In diesem Sinne sieht er sich nicht als den großen Macher. „Wir treten hier als ganz großes Team an“, stellt er klar. „Da ist der Co-Trainer Michael Volmer , der mir gerade auf dem Platz den Rücken freihält, da ist unser Torwarttrainer Andy Daweke, die medizinische Betreuung und unsere sportliche Leitung unter Rolf Neuhaus. Und dann ist da ja noch der besonnene Vorstand im Hintergrund.“ Und dann bekennt er unmissverständlich: „Ohne diese meine Kollegen wäre ich wenig, und die Mannschaft wohl auch!“

Neben dem Training und Betreuung der ersten Mannschaft ist Martin mitverantwortlich für eine methodische und didaktische Abstimmung des Leistungsbereichs unserer Fußballabteilung. Ferner führt er interne Trainerfortbildungen durch, in dem methodische Konzepte erarbeitet werden einerseits für den Erwerb fußballerischer Grundlagen und andererseits für die gezielte Verbesserung fußballerischer Leistungen. Darüber hinaus arbeitet er an der Entwicklung unseres Jugendleistungskonzepts mit. Hier sollen Strukturen fü die zielgerichtete Nachwuchsarbeit formulierte werden, „so dass regelmäßig sehr gute Spieler der eigenen Jugend erwachsen“. Hiermit sei Erfolg versprechend begonnen worden. Man brauche dafür aber Jahre, um hier ein Niveau zu erreichen, was vergleichbare Vereine bereits erreicht hätten. Allerdings begänne man ja auch nicht an einem Nullpunkt: „Die Hälfte der Spieler unseres Westfalenligakaders kommt ja aus der eigenen Jugend. Dennoch müssen wir sicherlich viele Dinge anfassen, die man verbessern kann.“

„Wir werden den Hebel ansetzen müssen in der D-Jugend“, umreißt Martin die für ihn vordringliche Aufgabe. „Denn eines ist ganz klar festzustellen, bei den Mini-, F- und E-Jugendmannschaften sind wir führend in Münster. Ab der D-Jugend bekommen wir Probleme. Da wandern bereits einige hoch talentierte Jungen ab, nicht nur zu Preußen Münster, sondern auch zum FC Gievenbeck oder Münster 08.“ Das müsse verhindert werden. Es ist aus meiner Sicht sportlich eh fraglich, ob Jungs im D-Juniorenalter schon den Heimatverein verlassen müssen. Meinem Kind würde ich raten erst zur U15 und dann nur zu Preußen Münster in die Regionalliga zu wechseln, statt frühzeitig das gewohnte Umfeld zu verlassen, wo nachweislich gut gearbeitet wird. Diesen Standpunkt habe ich intern auch schon als Sportlicher Leiter des SC Preußen vertreten, wohl wissend, dass meine persönliche Meinung mit den Interessen des Amtes kollidiert.

Ein Teil eines neuen attraktiven Konzepts könnte sein, dass unsere D-Jugend in der kommenden Saison wieder die Startberechtigung für die Bezirksliga erhalte, der Antrag dazu müsse gestellt werden. Danach sei alles daran zu setzen, die C-, B- und A-Jugend in der Bezirksliga zu etablieren, und dann müsse versucht werden, auch weiter oben zu spielen. Als Ziel aller Bemühungen beschreibt er, „dass ein ganz starke Masse an guten Spieler nach oben rollt.“

Im F-Jugendalter begann Martin mit dem Fußballspielen. Seine Jugendzeit und die ersten beiden Seniorenjahre spielte er im SC GW Paderborn. Dann wechselte er zum TuS Paderborn-Neuhaus, aus dem sich der heutige Zweitligist SC Paderborn entwickelte. Später spielte er bei Sterkrade 06/07, DJK Kleinenberg und beim FC Gievenbeck. Während seiner Jugendzeit war er für diverse Auswahlmannschaften nominiert, in Paderborn spielte er in der Oberliga (damals die dritthöchste Spielklasse), später in der Verbands- oder Landesliga.

Der A-Lizenz-Inhaber begann seine Trainerlaufbahn als Jugendkoordinator beim FC Gievenbeck im Jahre 2001. Im Spieljahr 2002/2003 trainierte er dort die Minikicker. Im Jahre 2003 beendete er – 32-jährig - seine Karriere als Spieler und wurde A-Jugendtrainer beim FC Gievenbeck. 2005 wechselte er zum SC Preußen Münster und trainierte dort nacheinander die U16, U17 und U19, die A- und B- Junioren mehrere Jahre in der Bundesliga. Neben seiner Tätigkeit als Trainer war er ab Januar 2007 fünfeinhalb Jahre lang Sportlicher Leiter der Nachwuchsabteilung des SC Preußen.

Martin lebt mit seiner Lebensgefährtin und drei Kindern in Münster-Gievenbeck. Er fährt gerne Rad, den Winterurlaub liebt er sehr, er geht gern ins Fitnessstudio und in die Sauna.

Im Januar 2007 bot sich ihm die Chance, sein Hobby Fußball zum Lebensinhalt zu machen: Die Firma, an der er beteiligt war, wurde verkauft, gleichzeitig suchte der SC Preußen nach Möglichkeiten einer Professionalisierung seiner Jugendabteilung. „Und da saß ich mit am Tisch. Und ich merkte, dass da schon ein Interesse daran bestand, mich als hauptberuflichen Mitarbeiter zu gewinnen. Da habe ich mir gesagt: Jetzt durch den Firmenverkauf habe ich die Zeit dazu, das für ein, zwei Jahre zu versuchen. Und aus den zwei Jahren wurden fünfeinhalb. Und zu gleichen Bedingungen arbeite ich nun für den TuS. So fühle ich mich im Fußball sauwohl, wohlwissend, dass meine Situation gewisse finanzielle Risiken birgt. Aber man muss ja auch so selbstbewusst sein und sagen: ´Mensch, ich hab das ja in den letzten Jahren gut geschafft und man kann ja nicht alles falsch machen.´“

Recht so: Ein wenig Mut gehört schließlich zu allem dazu.

Quelle: TuS Aktuell Nr. 10

(ab, 15.03.2013)